Hösel überrascht beim Spieltag in Pirna

Von guten Gewohnheiten, Überraschungen und dem schmerzhaften Aufeinandertreffen von Erwartungen und Realität.

Was für ein Spieltag am 18. März 2023 in Pirna. Tempo, Spannung und zwei völlig unerwartete Ergebnisse. Wie in Pirna üblich, reisten die drei Gastmannschaften wegen der langen Fahrt schon am Freitagabend an. Auch schon länger üblich, übernachteten sie bei Spieler*innen der gastgebenden Pirna Lions. Das gab die Möglichkeit für Begegnungen und freundschaftliche Gespräche und bereicherte damit das Erlebnis Spieltag um eine weitere willkommene Komponente. Bei allem Siegeswillen der Teams ging es auch in den Spielen freundlich, fair und respektvoll zu. Schön, dass auch das guten Gewohnheiten entspricht.
Eine Regelung, an die sich die Teams der Liga auch immer mehr gewöhnen müssen, ist die Möglichkeit, Spieler*innen aus anderen Teams auszuleihen, wenn aus dem eigenen Kader nicht ausreichend Personal zum Spieltag mitfahren kann. Die Red Deers aus Hösel hatten selbst nur drei Feldspieler*innen und konnten nur durch die Leihe von zwei Spielern aus Langenberg in Minimalbesetzung den Spieltag bestreiten. Fünf Feldspieler*innen für zwei Spiele war vor Beginn des Spieltages eine schwere Hypothek, die dem Team sicher einige Sorgenfalten und möglicherweise auch nur geringe Erwartungen auf einen Erfolg, den ersten Punktgewinn in der Liga überhaupt zu erkämpfen, brachte. Auch die beiden anderen Teams hatten sich jeweils einen Spieler aus Langenberg zur Verstärkung geliehen. Das war vermutlich der erste Spieltag, an dem alle drei Auswärtsteams von der Regel, Spieler*innen zu leihen, Gebrauch machten. Einzig das Heimteam, die Pirna Lions, hatten trotz gesundheitsbedingter Ausfälle insgesamt zwölf Spielerinnen und Spieler am Start.

Red Deers Hösel – Essen Eagles II 19:16
Das erste Spiel des Tages wurde pünktlich 10:00 angepfiffen. Beide Teams hatten sich wegen eigenem Personalmangel Spieler vom Langenberger Team geliehen, die spielfrei hatten. Trotzdem hatten die Höseler nur fünf Feldspieler*innen, eine Konstellation, die sie so noch nie hatten und die entsprechend für nur geringe Erfolgsaussichten sprach.
Essen hingegen hat ja in letzter Zeit häufig mit dem ersten Spiel seine eigenen Probleme und dementsprechend erwartungsgemäß kamen die Deers besser ins Spiel, kauften den Adlern den Schneid ab und führten nach dem ersten Viertel mit 5:2. Lag es daran, dass Hösel selbst zu sehr von der Führung überrascht war oder daran, dass die Eagles vom unerwarteten Rückstand motiviert, konzentrierter ins zweite Viertel gingen. Der Vorsprung schmolz jedenfalls so schnell, wie er erarbeitet worden war und zur Halbzeit führten die Adler mit einem Tor, 7:8. Nach der Pause lieferten sich beide Teams einen Schlagabtausch mit offenem Visier, der sich völlig ausgeglichen gestaltete. Keinem Team gelang es einen Vorsprung zu erarbeiten und zu halten. Nach einem wilden Hin und Her und insgesamt 13 Toren stand es dann vor dem letzten Viertel 14:14. In diesem gingen die Rehe schnell mit zwei Toren in Führung, die im weiteren Verlauf verteidigt werden konnte und zum Ende des Spieles hin sogar weiter ausgebaut wurde. Mit der Schlusssirene war die erste Überraschung des Spieltages perfekt: Die Red Deers aus Hösel gewannen zum ersten Mal ein Spiel in der Deutschen Intercrosseliga (DIL). Der Jubel war groß, aber kurz, denn dieses Spiel hatte viel Kraft und Nerven gekostet. Und im letzten Spiel des Tages warteten ja die West Wood Wolves aus Bad Marienberg, die mit dem bisherigen Verlauf ihrer Saison noch nicht sonderlich zufrieden sein konnten.

Pirna Lions – West Wood Wolves II 14:10
Zunächst aber mussten sich die Wolves mit dem Heimteam, den Lions aus Pirna messen. Vor dem Anpfiff füllten sich die Tribünen mit Zuschauern*innen, die das Pirnaer Team anfeuern kamen. Dadurch bekamen die beiden Spiele der Heimmannschaft eine besondere Atmosphäre.
Die Lions starteten konzentriert und gewannen das erste Viertel mit 4:0. Die Wolves versuchten im zweiten Viertel gegenzuhalten (was gelang) und den Rückstand aufzuholen (was nicht gelang). Nach dem ausgeglichenen zweiten Viertel hatte der Vier-Tore-Vorsprung der Pirnaer Bestand. Die Mannschaften gingen mit einem 7:3 in die Pause.
Danach änderte sich nichts. Zunächst bauten die Lions mit zwei Toren den Vorsprung aus, aber die Wolves gestalteten auch dieses Drittel ausgeglichen und konnten zumindest den alten Abstand bis zum Ende des Viertels wiederherstellen. Im letzten Viertel konnten die Wölfe zunächst auf zwei Tore verkürzen, aber die letzten beiden Tore schossen die Pirnaer. So stand auch bei der Schlusssirene der Vorsprung von vier Toren, den die Pirnaer aus dem ersten Viertel souverän über die Zeit brachten. In die Statistik geht das Endergebnis von 14:10 für Pirna ein.

Pirna Lions – Essen Eagles II 16:11
Nach der etwas längeren Pause, in der man sich mit Salaten, Würstchen und Kuchen stärken konnte, standen die Pirna Lions gleich wieder auf der Platte. Ihr Gegner, die Eagles aus Essen mussten die überraschende Niederlage gegen Hösel aus dem ersten Spiel verdauen. Die Begegnungen beider Teams sind in der Regel sehr intensiv und von großer Laufbereitschaft, viel Tempo und vielen Toren geprägt. Wer allerdings ein so geartetes Spiel erwartete, musste dann doch Abstriche machen. Die Essener waren mit einem kleinen Kader mit nur sechs Feldspieler*innen angereist. Demgegenüber standen die Lions, die auch jungen Spieler*innen Einsatzzeiten geben wollten. Beides war einem schnellen und flüssigen Spiel nicht besonders zuträglich. Trotzdem war es ein intensives Spiel, in dem sich beide Mannschaften nichts schenkten. Es begann kurios. Das erste Viertel ging, wie schon im Spiel davor, mit 4:0 an die Pirna Lions. Im zweiten Viertel erhöhten sie noch auf 6:0, bevor die Eagles ihre ersten beiden Tore in diesem Spiel schossen. Das zweite Viertel endete also unentschieden. Im dritten begannen die Essener so, wie sie das zweite beendet hatten. Mit zwei schnellen Toren konnten sie den Abstand verringern. Es folgte ein Hin und Her, in dem die Eagles ihre beste Phase des Spiels hatten und bis auf ein Tor herankamen. Die Schlussphase des Viertels gehörte dann allerdings wieder den Lions, die nun ihrerseits drei Tore in Serie erzielten und den Vier-Tore-Abstand wieder herstellten. Die Gastgeber ließen im vierten Viertel dann nichts mehr zu. Am Ende stand ein 16 : 9 für Pirna an der Anzeigetafel.

West Wood Wolves – Hösel Red Deers II 19:20
Der Abschluss des Spieltages bildete die Partie zwischen den West Wood Wolves aus Bad Marienberg und den Red Deers aus Hösel, einem Stadtteil von Ratingen. Die Wölfe mussten die Niederlage gegen die Lions verdauen, die Rehe gingen mit dem Hochgefühl des ersten Sieges in der Liga überhaupt ins Rennen. Die Deers schossen das erste Tor, die Wolves konterten mit drei Treffern in Serie, woraufhin die Deers ebenfalls drei Tore am Stück schossen. Die letzten beiden Treffer des Viertels erzielten die Bad Marienberger. Das Viertel endete 5:4. Im zweiten bauten die Wölfe ihren Vorsprung aus und gingen mit einem Drei-Tore-Vorsprung in die Halbzeitpause. 11:8.
Das drittel Viertel gestaltete sich wieder ausgeglichen, die Red Deers konnten etwas Boden gut machen: 14:12. Den Schreiber dieser Zeilen muss danach eine Vorahnung befallen haben, als er im Ticker schrieb: „Es erwartet uns ein spannendes letztes Viertel“. Und genauso kam es auch. Hösel erzielte gleich zu Beginn mit zwei Toren den Ausgleich. Sechs Minuten vor Schluss stand es 15:15. Die Wölfe gingen immer wieder mit einem Tor in Führung, die die Rehe postwendend ausglichen. Die Entscheidung fiel dann drei Sekunden vor der Schlusssirene. Den Höselern wurde ein Penalty zugesprochen, den Dominik Gerhardt sicher verwandelte. Endstand 19:20.
Ein Spiel, das allen Akteuren und vielen Zuschauer*innen noch lange in Erinnerung bleiben wird, war der würdige Abschluss eines spannenden und überraschenden Spieltages.

Hervorzuheben sind die Torhüter. Sowohl Ron Doderer (Red Deers), wie auch Martin Deepe (Pirna Lions) hielten hervorragend und ihre Teams damit im Spiel.
Leon Neumärker (West Wood Wolves) war zwar durch eine gerade überstandene Krankheit noch geschwächt, konnte aber trotzdem seinem Team ein guter Rückhalt sein. Auch Chris Piethe (Essen Eagles), dem die spektakulärste Rettungstat des Spieltages gelang, als er einen schon durchgerutschten Ball noch reaktionsschnell von der Linie kratzte, hielt, was es zu halten gab, konnte aber gegen viele platzierte Schüsse wenig ausrichten. So gaben an diesem dritten Spieltag der DIL Saison 2022/23 am Ende in vier vergleichbar starken Teams die Goalies und die Qualität der jeweiligen Defense den Ausschlag.

Noch nie hatten die Pirnaer alle Spiele ihres Heimspieltages gewonnen. Mit den beiden Siegen wurde die Tabellenspitze zurückerobert. Die Entscheidung über die Meisterschaft fällt wohl in den beiden noch ausstehenden Begegnungen mit den in Pirna spielfreien L.A. Panthers. Die Teams aus Essen, Hösel und Bad Marienberg haben kaum noch Chancen auf einen der ersten beiden Plätze. Der Kampf um die Platzierungen drei bis fünf verspricht aber noch einige spannende Spiele in denen die Wolves trotz des jetzt letzten Platzes gute Chancen haben Boden gut zu machen, weil sie noch zwei Spiele mehr als ihre beiden Kontrahenten haben.

Am erfreulichsten ist aber, dass mindestens seit der Saison 2014/15 erstmals kein Team ohne Punkte die Saison beenden wird.

Ob es im Meisterschaftsrennen eine Vorentscheidung geben wird, kann man beim vorletzten Spieltag am 15. April bei den West Wood Wolves in Bad Marienberg sehen. Bis dahin: Sticks up!

Gerd Anacker